Als Jerome Powell am 5. Februar 2018 den Vorsitz der Federal Reserve übernahm, hatte er sich sicherlich eine ruhigere Schlussphase seiner mittlerweile fast achtjährigen Präsidentschaft vorgestellt. Wenn die zweite Amtszeit des obersten Währungshüters am 15. Mai 2026 zu Ende geht, blickt der ausgebildete Jurist nicht nur auf die Bewältigung der Corona-Krise und auf den anschließenden, inflationsbedingt schnellsten Zinsanstieg der Geschichte der USA zurück, sondern auch auf eine Phase innenpolitischen Drucks, wie ihn die unabhängige Zentralbank in dieser Form seit den 1970er Jahren nicht mehr erlebt hat. Seinerzeit setzte US-Präsident Richard Nixon den damaligen FED-Vorsitzenden Arthur Burns unter Druck, die Zinsen trotz hoher Inflationsrisiken niedrig zu halten. Heute wünscht sich US-Präsident Donald Trump schnelle Zinssenkungen, obwohl die volkswirtschaftliche Gemengelage äußerst anspruchsvoll ist. Zusätzlich sehen sich Jerome Powell und Mitglieder des Federal Open Market Committee (FOMC) persönlichen Angriffen ausgesetzt, die eine Zinsentscheidung im September nicht einfacher machen und die Unabhängigkeit der FED in Frage stellen könnten.

Donald Trump selbst hatte Jerome Powell für das Amt des Vorsitzenden der Federal Reserve nominiert. Trotzdem kritisierte er ihn auch schon in seiner ersten Amtszeit wiederholt öffentlich und ungewöhnlich scharf. Während das Wirtschaftswachstum der USA im Jahr 2018 stolze 3 Prozent betrug, die PCE-Kerninflation mit 2 Prozent genau die Zielmarke der Zentralbank erreichte und auch die Arbeitslosigkeit mit 3,9 Prozent auf historisch niedrigem Niveau lag, machte der US-Präsident seinem Ärger über Zinserhöhungen und die Geldpolitik der US-Zentralbank mehrfach Luft. Da Trump die starke US-Wirtschaft durch tiefe Zinsen und einen schwächeren US-Dollar offenbar mit einem weiteren Boost versorgen wollte, stellte er unmittelbar nach Powells Rede in Jackson Hole 2019 sogar zur Diskussion, ob Powell oder das chinesische Staatsoberhaupt Xi der größere Feind Amerikas sei. Der Kurswechsel Powells im Jahr 2019 wurde von der Zentralbank mit dem Schutz vor einer Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums begründet – für viele Investoren gab die Zentralbank damals allerdings gefühlt dem Druck der US-Administration nach.

Neben dem Druck auf Jerome Powell sieht sich aktuell die FED-Gouverneurin Lisa Cook schweren Vorwürfen der US-Administration ausgesetzt. Da der FED-Präsident erneut dem Wunsch von aggressiven Zinssenkungen – “Bring down the Fed Rate, NOW!” – mit der undurchsichtigen Datenlage vorerst eine Absage erteilte, wurde er später als „sturer Schwachkopf“ bezeichnet und seine Entlassung wurde offenbar geprüft. Während sich die Amtsenthebung des obersten Währungshüters offensichtlich als juristisch sehr aufwändig darstellt, versuchte die US-Administration am 25. August 2025 Fakten zu schaffen und ordnete die Entlassung von Lisa Cook aufgrund von angeblichem Hypothekenbetrug an. Die FED-Gouverneurin wies die Vorwürfe zurück, leitete rechtliche Schritte gegen die Entlassung ein und betonte, dass dem US-Präsident für einen solchen Schritt die Befugnis fehle.

Einer möglichen Amtsenthebung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil Lisa Cook von Joe Biden ernannt wurde und sie ein Mitglied des „Board of Governors“ der Federal Reserve ist. Diese Gouverneure werden für vierzehn Jahre ernannt und haben neben dem FED-Präsidenten ein permanentes Stimmrecht unter den zwölf Mitgliedern des FOMC, dem in seiner Funktion als Ausschuss der Notenbank die Aufgabe zukommt, die US-Geldpolitik, einschließlich der Festlegung des Leitzinses und des Kaufs und Verkaufs von Staatsanleihen, festzulegen. Die übrigen vier Mitglieder werden auf Rotationsbasis aus den elf regionalen FED-Präsidenten ausgewählt und sind nur für ein Jahr stimmberechtigt. Lisa Cook sollte demnach bis zum Jahr 2038 im Amt bleiben. Mit der Neubesetzung Ihres Postens würden sich die Mehrheitsverhältnisse zugunsten von Donald Trump innerhalb des „Board of Governors“ verschieben, weil dann vier der sieben permanenten Stimmen zur Gestaltung der Geldpolitik von „seinen“ Kandidaten abgegeben würden. Dies könnte möglicherweise zu einer Geldpolitik führen, die stärker auf die Interessen der aktuellen US-Regierung abgestimmt ist.

Bis vor kurzem zeigte sich Jerome Powell äußerlich unbeeindruckt von dem auf ihm lastenden Druck. Wiederholt hat er auf das duale Mandat der Zentralbank – Preisstabilität und Maximierung der Beschäftigung – verwiesen und deutlich gemacht, dass die höheren Handelszölle der US-Regierung zu steigenden Konsumentenpreisen und möglicherweise zu einem geringeren Wirtschaftswachstum führen könnten. Tatsächlich verzeichnete der Kern-Erzeugerpreisindex (PPI) im Juli 2025 den größten Monatsanstieg seit März 2022 mit einem Plus von 0,9 Prozent. Da der Kern-Verbraucherpreisindex (CPI) im selben Zeitraum nur um 0,3 Prozent gestiegen ist, stellt sich die Frage, ob produzierende Unternehmen zukünftig in verstärktem Maße höhere Preise an ihre Kunden weitergeben werden. Die PCE-Kerninflation liegt laut Powell mit 2,9 Prozent ein gutes Stück von der Zielmarke von 2 Prozent entfernt. Gleichzeitig tendieren die Risiken für die zukünftige Preisentwicklung laut dem FED-Präsidenten nach oben.

Trotzdem öffnete Powell zu seiner Rede in Jackson Hole am 22. August 2025 die Tür für Zinssenkungen noch in diesem Jahr. Die schwache Entwicklung des US-Arbeitsmarktes im Juli – der 3-Monatsdurchschnitt von neu geschaffenen Stellen fiel beispielsweise von 186 tausend im Jahr 2024 auf nur noch 35 tausend – spreche für einen „Slowdown“ des Arbeitsmarktes. Die Risiken für die Entwicklung der Beschäftigung nehmen aus Sicht Powells zu. Zusätzlich sei ein Rückgang des Wirtschaftswachstums von 2,5 Prozent im letzten Jahr auf 1,2 Prozent im ersten Halbjahr 2025 zu beobachten gewesen, was zum Großteil schwächere Konsumentenausgaben widerspiegele. Abschließend betont der oberste Währungshüter, dass die veränderte Risikobilanz eine Anpassung der Geldpolitik rechtfertigen könnte – eine Aussage, die der Kapitalmarkt als Signal für Zinssenkungen im September interpretierte.

Jerome Powell gewichtet die Risiken für den Arbeitsmarkt momentan also offensichtlich höher als das Risiko eines nachhaltigen Inflationsanstiegs durch die aggressive Handelspolitik. Ob der Druck der US-Administration hierbei eine Rolle gespielt hat, wird das Geheimnis des Notenbankchefs bleiben. Wir beobachten die Entwicklung um die wichtigste Zentralbank der Welt weiterhin sehr genau. Die Unabhängigkeit der FED ist für das Vertrauen in die US-Kapitalmärkte unerlässlich. Zu groß wäre die Versuchung für Politiker, die Leitzinsen zu eigenen Zwecken und zu falschen Zeitpunkten zu senken – die ausufernde Inflation der 1970er Jahre steht als mahnendes Beispiel. Die US-Administration kann die Institution und die Funktion der Notenbank zunächst einmal nicht verändern, aber sie kann versuchen, Einfluss auf ihre Mitglieder zu nehmen. Die Nachfolger von Jerome Powell und eventuell schon bald auch von Lisa Cook sind also gut beraten, wenn sie die Unabhängigkeit der US-Zentralbank stärken.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
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