Die zwei von Joe Biden zuletzt angekündigten Maßnahmenpakete „American Families Plan“ (AFP) und „American Jobs Plan“ (AJP) sehen eine zusätzliche Stimulierung der US-amerikanischen Wirtschaft in Höhe von 4,1 Billionen US-Dollar vor. Damit durchbrechen die staatlichen Hilfsgelder, die seit dem Beginn der Corona-Krise verabschiedet wurden, die Schallmauer von zehn Billionen US-Dollar. Mittlerweile übersteigt die Staatsschuldenquote in den USA sogar das Niveau der Jahre unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Schulden sind größer als die jährliche Wirtschaftsleistung.
Kein Wunder also, dass Joe Biden zur Gegenfinanzierung die Steuern erhöhen möchte. Die Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne soll von 21 Prozent auf 25 Prozent steigen. Auf im Ausland erzielte Gewinne von Tochtergesellschaften US-amerikanischer Konzerne, die derzeit mit einem Steuersatz von 10,5 Prozent repatriiert werden können, sollen künftig 21 Prozent anfallen. Die Details des vorliegenden Reformwerks machen eines deutlich: Die Steuerreform wäre nicht nur ein wirtschaftspolitisches Instrument, um den Staatshaushalt zu stabilisieren. Sie wäre auch eine Maßnahme, um die dramatische soziale Ungleichheit in den USA zu bekämpfen. Joe Biden würde damit eines seiner zentralen Wahlversprechen von einer weiteren Seite angehen. Die großzügigen fiskalischen Hilfspakete erhöhten im vergangenen Jahr das Nettovermögen der US-Haushalte auf ein Rekordniveau von 130,2 Billionen US-Dollar. Doch weisen die USA laut OECD weiterhin die höchste Einkommensungleichheit aller G7-Staaten aus. So besitzt das reichste Prozent der US-Bürger 53 Prozent des Aktienvermögens aller US-Haushalte. Die 50 Prozent der US-Bürger mit dem niedrigsten Einkommen besitzen dagegen nur ein Prozent. Die US-amerikanische Unter- und Mittelschicht konnte mal wieder kaum vom Börsenaufschwung profitieren und leidet weiterhin überproportional an den Folgen der Pandemie. Die teils bürgerkriegsähnlichen Zustände rund um die Black Lives Matter-Demonstrationen und die letzte US-Wahl sind nur ein Spiegelbild der angespannten Lage der Nation. Dem tritt Joe Biden entgegen, in dem er zum Beispiel auch die Steuern auf Kapitalerträge und Dividenden ab einem Jahreseinkommen von einer Million US-Dollar nahezu verdoppeln möchte, von 23,8 Prozent auf 43,4 Prozent. Der Spitzensatz auf Bundesebene für individuelle Einkommen soll von 37 Prozent auf 39,6 Prozent angehoben werden.
Eine strikte Ablehnung durch die Republikaner macht jedoch eine volle Umsetzung der ambitionierten Demokraten-Pläne unwahrscheinlich. Gleichwohl werden die USA auch in dieser Hinsicht Vorreiter für andere Regierungen in den westlichen Ländern sein. Somit müssen wir uns als Kapitallokatoren fragen, welche Nationen dem Beispiel Bidens folgen werden und wie stark einzelne Unternehmen von etwaigen Steuererhöhungen betroffen sein könnten. Deutschland ist bereits ein Hochsteuerland. Die Unternehmens- und Einkommenssteuer liegt über dem Niveau der USA. Allerdings bieten unsere Sozialsysteme auch ein umfangreicheres Leistungsniveau im Bereich des Gesundheitswesens und der Bildung. Auch die Konzentration von Vermögen ist bei uns bei Weitem nicht so ausgeprägt wie in den USA. Während das oberste Prozent in den USA rund 16 Prozent des nationalen Vorsteuereinkommens auf sich vereint, liegt Deutschland bei 14 Prozent. Italien und die Niederlande liegen vergleichsweise ausgewogener bei acht Prozent bzw. sieben Prozent. Sicher, das soziale Gefälle ist in der Corona-Krise auch in Europa größer geworden. Es besteht hierzulande aber kein vergleichbarer Handlungsdruck, die Steuern erhöhen zu müssen.
Vielmehr wird vielfach das Gegenteil gefordert. Was bedeutet das für die tiefgreifende Fundamentalanalyse der Unternehmensbewertung im Hause GANÉ? Steigende Unternehmenssteuern könnten in erster Linie die Nachsteuermargen von US-Firmen belasten. Bei ihnen gilt es zu überprüfen, ob sie eine erhöhte Steuerbelastung über eine robuste Bilanz, Preissetzungsmacht und langfristige Wachstumsperspektiven abfedern können. Auf eben solchen Gewinnerunternehmen liegt unser Fokus.