Die US-Zentralbank und ihr Chef Jerome Powell haben mit den jüngsten Stellungnahmen eine beachtliche Kehrtwende vollzogen. Das Risiko einer „anhaltend hohen und sogar weiter steigenden“ Inflation wurde in der Pressekonferenz am 26. Januar 2022 deutlich ausgesprochen. Das sah vor wenigen Monaten noch ganz anders aus. Obwohl die US-Kerninflation „Core CPI“ bereits im April 2021 den stärksten monatlichen Anstieg seit dem Jahr 1981 aufwies, gingen die Währungshüter bis in den Herbst hinein davon aus, dass die hohen Preisanstiege „größtenteils vorübergehende Faktoren“ widerspiegle. Schließlich waren es vor allem Konsumgüter, deren Preise aufgrund einer pandemiebedingt aufgestauten Nachfrage in Verbindung mit weltweit angespannten Lieferketten stark anzogen. Diese scheinbar temporäre Anomalie löste sich bisher nicht auf. Powell musste im Dezember eingestehen, dass die Probleme größer sind und länger andauern als erwartet. Gleichzeitig greift die Inflation Raum. Sie ist längst am Arbeitsmarkt angekommen. Dieser zeigt sich laut FED-Chef „weit stärker“ als zu Beginn des letzten Zinserhöhungszyklus im Jahr 2015. Folglich sehen die meisten Mitglieder des Offenmarktausschusses „FOMC“ das Risiko einer weiter steigenden Inflation nun deutlich vor Augen.

Kein Wunder also, dass die US-Zentralbank den Kapitalmarkt auf einen ganzen Strauß voller Maßnahmen zur Normalisierung der Geldpolitik vorbereitet. Die im Dezember beschlossene Verdopplung der Tapering-Geschwindigkeit wurde bekräftigt. Entsprechend werden die Anleihekäufe der Zentralbank im „frühen März“ ein Ende finden. Zinserhöhungen, so das Komitee, seien „zeitnah angemessen“. Powell hält eine erste Erhöhung ebenfalls im März für wahrscheinlich. Zusätzlich soll die Bilanzsumme der US-Zentralbank, die im Zuge der pandemiebedingten Unterstützungsaktionen um sage und schreibe fünf auf neun Billionen US-Dollar angestiegen ist, wieder schrumpfen. Laut FED könnte es schon in diesem Jahr zu einem sogenannten „Balance-Sheet-Run-Off“ durch „Adjustierung der Reinvestitionen“ kommen. In der Praxis dürfte dies bedeuten, dass fällig werdende Anleihen nicht mehr vollständig durch erneute Investitionen ersetzt werden.

Somit veränderte die US-Zentralbank innerhalb weniger Monate ihre Einschätzung zur Inflationsentwicklung grundlegend. Sie läutet die einschneidendste Normalisierung der Geldpolitik in der Geschichte der USA ein. Gleichzeitig fällt auch der fiskalpolitische Wachstumsimpuls geringer aus: Die US-Regierung reduziert ihre Hilfsmaßnahmen für die Einwohner des Landes. Es ist also keine Überraschung, dass die Volatilität an den Börsen zuletzt deutlich angestiegen ist. Bleiben in einem solchen Umfeld Aktien weiterhin die bevorzugte Anlageklasse? Für GANÉ lautet die Antwort „ja“. Gleichwohl gehören für uns ebenfalls Liquidität und kurzlaufende Anleihen erster Güte in ein robustes Portfolio.

Author:
Marcus Huettinger Capital Markets Strategist
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