Der amerikanische Chipgigant Nvidia hat seine dominante Marktstellung untermauert und im dritten Geschäftsquartal per Ende Oktober 2025 die Erwartungen der Analysten deutlich übertroffen. Mit einem Umsatz von 57 Milliarden US-Dollar lag das Ergebnis mehr als 2 Milliarden US-Dollar über den Prognosen. Auch der Umsatzausblick von 65 Milliarden US-Dollar für das kommende Quartal übertraf die Markterwartungen.
Angesichts der beeindruckenden Zahlen und der offenkundigen Beschleunigung der Chip-Nachfrage traten die Sorgen vor dem Platzen einer Technologieblase für viele Marktteilnehmer zumindest kurzfristig erneut in den Hintergrund. Doch im Schatten der Diskussion um den US-Tech-Sektor braut sich in Japan ein mögliches finanzielles Gewitter zusammen, dessen Auswirkungen für die internationalen Anleihemärkte gravierend sein könnten.
Die Renditen japanischer Staatsanleihen (Japanese Government Bonds – JGBs) haben in den vergangenen Handelstagen einen rasanten Anstieg erlebt. Die Verzinsung der 30-jährigen JGBs ist auf ein Allzeithoch von über 3,3 Prozent gestiegen. Angesichts der deutlich höheren Renditen, die Anleger aktuell für langfristige Kredite an die US-Regierung verlangen – die Verzinsung der 30-jährigen US-Treasuries liegt mit 4,7 Prozent stolze 130 Basispunkte über den gleichlaufenden Yen-Papieren – fällt die Entwicklung in Japan derzeit nur wenigen Investoren ins Auge. Sie sollte es aber – mit Blick auf die Besonderheiten der japanischen Fiskalpolitik: Nach dem Platzen der Immobilienblase in den 1990er Jahren kämpfte die japanische Volkswirtschaft jahrzehntelang mit einem schwachen Wirtschaftswachstum und einer stagnierenden Preisentwicklung. Eine Gemengelage, die als „Japanification“ in die Geschichte der Finanzmärkte einging. Premierminister Shinzo Abe setzte dann mit seinen „Abenomics“ ab dem Jahr 2012 neben Strukturreformen auf einen aggressiven geld- und fiskalpolitischen Stimulus, der für einen langen Zeitraum negative Leitzinsen bedeutete und aufgrund des Ankaufs eigener Staatsanleihen zur höchsten Verschuldung aller Industriestaaten von zeitweise über 250 Prozent der Wirtschaftsleistung führte.
Da der Bann der Deflation seit dem Jahr 2022 gebrochen ist und die Teuerungsrate sogar über der Zielsetzung der Zentralbank von 2 Prozent liegt, plant die aktuelle Premierministerin Sanae Takaichi ein erneutes Stimulus-Programm mit einem Volumen von angeblich bis zu 135 Milliarden US-Dollar. Privaten Haushalten soll der Umgang mit den ungewohnt hohen Preisanstiegen erleichtert werden, um Konsum und Wachstum anzukurbeln. Das Paket soll einerseits von steigenden Steuereinnahmen, so die Hoffnung, andererseits aber auch von einer noch größeren Verschuldung durch die Ausgabe zusätzlicher Staatsanleihen finanziert werden. Doch genau das provozierte den jüngsten Renditeanstieg. Das Verschuldungsniveau Japans liegt noch immer bei über 230 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zusätzliche Anleiheemissionen würden den Staatshaushalt also weiter belasten. Zudem bereiten die geplanten Zinserhöhungen der Bank of Japan zur Eindämmung der Inflation im Hinblick auf den damit entstehenden Schuldendienst ebenfalls Sorgen.
Ein möglicher weiterer Renditeanstieg bei japanischen Staatsanleihen stellt aber nicht nur eine nationale Herausforderung dar. Er kann sich mittelfristig auch negativ auf die Finanzierungsstruktur der USA auswirken. Über Jahre nutzten Investoren die extrem niedrigen Zinsen in Japan für die Aufnahme günstiger Kredite, um damit US-Staatsanleihen mit einer deutlich höheren Verzinsung zu kaufen. Dieser sogenannte „Carry-Trade“ und der Handelsüberschuss mit den USA führten unter anderem dazu, dass Japan der mit Abstand größte Gläubiger der USA geworden ist und derzeit Treasuries im Wert von 1,19 Billionen US-Dollar hält. Eine höhere Verzinsung der japanischen Anleihen könnte nun zu einem Umdenken der Investoren und damit zu einer geringeren Nachfrage nach US-Staatsanleihen führen. Das wäre eine Entwicklung, die für die US-Administration zur Unzeit kommt, da auch die Amerikaner aufgrund ihres wachsenden Schuldenberges eine deutlich größere Anzahl an Staatsanleihen zukünftig an den Markt bringen werden.
Neben den großen Technologiekonzernen und den langfristigen Anleiherenditen in den USA, ist es also gerade im aktuellen Umfeld ratsam, auch die Entwicklung in Japan genau im Auge zu behalten. Angesichts der enormen Staatsverschuldung in Japan, in den USA, aber zum Beispiel auch in Frankreich, kann ein plötzlicher Volatilitätsanstieg bei Staatsanleihen gerade mit Blick auf die dynamische Entwicklung in Japan nicht ausgeschlossen werden. Parallel dazu halten wir die Risikoaufschläge auf die Renditen von Unternehmensanleihen – die sogenannten Credit Spreads – weiterhin für zu niedrig. Ein Fokus auf Liquidität, Bonität, eine niedrige Ausfallwahrscheinlichkeit und ein geringes Zinsänderungsrisiko macht aus unserer Perspektive daher weiterhin für den Anleihebereich Sinn.
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