Die Aktienmärkte eilen zu immer neuen Höchstständen. Der entscheidende Treiber für die Rekordjagd ist die enorme Liquidität, die von Zentralbanken und Regierungen als Antwort auf die Corona Krise bereitgestellt wird. Während die historisch einmalige Kombination aus geld- und fiskalpolitischen Hilfsmaßnahmen richtig und notwendig war, schließlich musste die schärfste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg bekämpft werden, türmt sich nun ein bedrohlicher Berg aus Staats- und Notenbankschulden auf. Die Staatsschuldenquote übersteigt in vielen Industrienationen mittlerweile sogar das Niveau der Jahre unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Oft sind die Schulden größer als die jährliche Wirtschaftsleistung. So explodierte das Haushaltsdefizit in den USA in den ersten sechs Monaten des Fiskaljahres 2021 auf 1,7 Billionen US-Dollar. Das ist eine gewaltige Summe, die rund acht Prozent der gesamten US-amerikanischen Wirtschaftsleistung entspricht. Aus diesem Grund stellen sich viele Marktteilnehmer die Frage: Würgt die steigende Staatsverschuldung die mühsam gestartete Erholung der globalen Volkswirtschaft ab?

Kurzfristig ist dies nicht zu erwarten. Für die Aktienmärkte ist weniger das absolute Verschuldungsniveau maßgeblich, sondern der Schuldendienst, der über Zinszahlungen entrichtet werden muss. Diese Zahlungsverpflichtungen an die Kreditgeber sind im historischen Vergleich auf einem maßvollen Niveau, weil die Zinsen weiterhin auf einem Rekordtief verharren. Da Zentralbanken nicht müde werden, den temporären Charakter der jüngsten Inflationsavancen zu betonen, ist in naher Zukunft keine Zinserhöhung in den USA oder in Europa zu erwarten. Der Schuldendienst bleibt also auf einem erträglichen Niveau. Geht man aber mittelfristig von steigenden Zinsen aus, wird die Finanzierungsstruktur der einzelnen Länder zu einem entscheidenden Faktor. Die Ratingagentur Standard & Poor´s hat in einer aktuellen Studie berechnet, wie sich steigende Zinsen in den drei Haushaltsjahren nach einer Erhöhung auf die Staatshaushalte global auswirken. Mit erstaunlichem Ergebnis: Industrieländer müssen in den kommenden drei Jahren durchschnittlich nur 10,5 Prozent der ausstehenden Staatsverschuldung pro Jahr refinanzieren. 15 der 18 untersuchten Industrienationen hätten selbst nach einem Zinsanstieg von drei Prozent einen Anstieg des Schuldendienstes von weniger als ein Prozent der Wirtschaftsleistung zu tragen. Für Deutschland hätte eine solche Entwicklung kaum spürbare Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Die Gunst der Stunde wurde genutzt, um sich langfristig zu finanzieren. Kurzfristige Schulden machen in Deutschland nur drei Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Umgekehrt ist das Bild in den USA und in Japan. Dort machen kurzfristige Staatsschulden über 25 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Die meisten Emerging Market-Nationen sind wetterfest positioniert. Nur vier der 20 größten Schuldner müssten bei einem Zinsanstieg um drei Prozent einen Anstieg des Schuldendienstes von einem Prozent oder mehr des Bruttoinlandprodukts verkraften.

Von einem globalen Zinsschock kann also keine Rede sein, wenn Zentralbanken mit ihrer Einschätzung zur „temporären Entwicklung“ der Teuerungsrate recht behalten. Sollte die Inflation aber außer Kontrolle geraten, sähe das Drehbuch anders aus. Dann könnten die Zinsen auch um mehr als drei Prozent angehoben werden, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Schuldendienst und damit auf das Stimmungsbild an den Kapitalmärkten.

Folglich bleiben Aktien für GANÉ zunächst einmal die bevorzugte Anlageklasse, weil kein unmittelbarer Zinsschock droht. Für den Fall einer ansteigenden Inflation sind wir vorbereitet. Unternehmen wie Apple, Microsoft, Novo Nordisk oder L‘Occitane verfügen über außerordentlich üppige Rohertragsmargen von bis zu 80 Prozent ihrer Umsätze. Und damit über die notwendige Preissetzungsmacht, um mit Inflation zurechtzukommen.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
Drucken:
Schließen