Donald Trump hält die Kapitalmärkte weltweit in Atem. Seit seiner Amtseinführung am 20. Januar 2025 hat der Aktienindex Nasdaq zwischenzeitlich über 23 Prozentpunkte verloren, der US-Dollar ist von 0,96 EUR auf einen Wert von 0,86 EUR eingebrochen, der Ölpreis WTI ist von über 77 US-Dollar auf zwischenzeitlich unter 60 US-Dollar gefallen und das Barometer der Angst, der Volatilitätsindex VIX, erlebte den größten Anstieg seit der Corona-Krise.

Vor allem die scheinbar nicht verhandelbare Einführung von reziproken, also angeblich „wechselseitigen“ Zöllen auf Importe in die USA, führten seit ihrer Bekanntgabe am 2. April 2025 zu einer enormen Verunsicherung der Kapitalmärkte. Neben einem Basiszoll von 10 Prozent auf alle weltweiten Importe wurden beispielsweise zusätzliche Zölle von bis zu 34 Prozent auf Importe aus China angekündigt, welche im Zeitablauf dann sogar auf 245 Prozent erhöht wurden.

Da Importzölle die Waren für US-Konsumenten verteuern und es bei vielen Produkten, wie beispielweise dem Apple-iPhone, unwahrscheinlich ist, die Produktion in die USA zu verlagern, reduzierten Volkswirte weltweit die Wachstumserwartungen und erhöhten die Rezessionswahrscheinlichkeit für die USA deutlich. Da in vielen Produktkategorien zumindest kurzfristig von höheren Preisen auszugehen ist, sind auch die Inflationserwartungen deutlich angestiegen, so dass die Furcht vor einer Stagflation – also einer Periode von geringem Wachstum und hoher Inflation – zugenommen hat und die Kapitalmärkte auf diese Entwicklung sehr negativ reagierten.

Die anfänglich ausbleibende Reaktion der Trump-Administration auf die drastischen Kursverluste des Aktienmarktes kam für viele Investoren überraschend. Ein Großteil der Marktteilnehmer war offenbar von einer wirtschaftsfreundlichen Politik ausgegangen, die sich unmittelbar positiv auf Aktienkurse auswirken sollte.

Was aber bewegte die US-Regierung schließlich am 9. April 2025, also nur sieben Tage nach dem sogenannten „Liberation Day“, zu einem Aussetzen der reziproken Zölle für 90 Tage?

Da die Turbulenzen am Aktienmarkt mit Blick auf die angebliche „Befreiung der US-Wirtschaft“ als notwendiges Übel dargestellt wurden, liegt der Verdacht nahe, dass die enormen Verwerfungen am Rentenmarkt für den Kurswechsel Trumps verantwortlich waren. Im Zuge der eingeleiteten Gegenmaßnahmen Chinas und dem sich dadurch abzeichnenden Handelskrieg zwischen den zwei größten Volkswirtschaften der Welt, erlebten US-Staatsanleihen einen der größten Verluste seit 2001. Innerhalb von nur einer Handelswoche stiegen die Renditen für Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit von ca. 3,9 Prozent auf nahezu 4,5 Prozent – Renditen für Treasuries mit dreißigjähriger Laufzeit kamen der 5-Prozentmarke gefährlich nahe. Genau diese Verzinsungshöhe von langlaufenden Staatsanleihen ist für Investoren ein wichtiger Gradmesser für die Kreditwürdigkeit eines Landes – je höher der von Investoren geforderte Zins, desto geringer das Vertrauen in die Tragfähigkeit des Staatshaushaltes.

Die Staatsverschuldung der USA liegt aktuell mit über 36 Billionen US-Dollar bei rund 122 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zusätzlich gibt die US-Regierung weiterhin deutlich mehr Geld aus, als sie über Steuergelder einnimmt. Das Haushaltsdefizit soll laut dem „Congressional Budget Office“ im Jahr 2025 über 6 Prozent der Bruttoinlandproduktes betragen. Die US-Regierung kann somit die dramatischen Verwerfungen des Anleihemarktes der vergangenen Wochen nicht ignorieren, da sie zur Finanzierung ihrer zu hohen Ausgaben auf günstige Kredite von Anleiheinvestoren angewiesen ist.

Im Jahr 2025 erreichen laut dem US-Finanzministerium amerikanische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, sogenannte T-Bills, mit einem Volumen von über 6 Billionen US-Dollar ihre Fälligkeit. Bei Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren, sogenannten T-Notes, läuft ein Volumen von über 1,8 Billionen US-Dollar in diesem Jahr aus. Diese auslaufenden Kredite müssen zu den vom Kapitalmarkt zum Zeitpunkt der Fälligkeit geforderten Zinsen refinanziert werden. Rasant steigende Renditen im US-Anleihemarkt tragen somit, insbesondere bei den T-Notes, unmittelbar zu einem höheren Schuldendienst der USA bei und vergrößern das Haushaltsdefizit zusätzlich.

Natürlich ist sich auch China der angespannten Lage in den USA bewusst – laut dem US-Finanzministerium hält die Volksrepublik US-Staatsanliehen in Höhe von 760 Milliarden US-Dollar und ist damit nach Japan der zweitgrößte internationale Kreditgeber der USA. Ein Verkauf dieser Anleihebestände stellt ein zusätzliches theoretisches Druckmittel dar, weil dadurch die Renditen im Anleihemarkt zusätzlich nach oben getrieben werden könnten. Die chinesische Regierung wird sich allerdings einen solchen Schritt sehr genau überlegen: Eine Abwertung sowohl der eigenen Bestände in US-Staatsanliehen als auch des US-Dollars selbst, d.h. eine Aufwertung der heimischen Währung, kann nicht im Interesse des Exportlands China sein.

Ob die Handelspolitik und der unausgewogene Finanzhaushalt der US-Regierung zukünftig beibehalten werden können, wird aus unserer Sicht schlussendlich der Anleihemarkt entscheiden. Schon die ehemalige Premierministerin Englands, Liz Truss, musste im Jahr 2022 schmerzhaft erfahren, dass die Bondmärkte zwar eine weniger mediale Aufmerksamkeit als die Aktienmärkte genießen, dafür aber sehr viel schneller Druck auf Regierungen ausüben können. Als Truss ihr „Mini-Budget“ vorstellte, sollten massive Steuersenkungen über zusätzliche Kredite in einem Umfeld von hoher Inflation und steigenden Leitzinsen finanziert werden. Der Anleihemarkt stufte den Haushalt als nicht tragfähig ein. Die Renditen der 10- und 30-jährigen UK-Staatsanleihen stiegen so schlagartig, dass Pensionsfonds über Nachschusszahlungen, sogenannte Margin-Calls für Derivatepositionen, an den Rand des Bankrotts getrieben wurden. Nur durch ein beherztes Eigreifen der Bank of England konnte ein finanzieller Kollaps verhindert werden. Liz Truss musste daraufhin ihren Hut nehmen. Ihre Amtszeit ging mit 44 Tagen als die kürzeste aller Premiers in die englische Geschichte ein. Nicht zuletzt aufgrund des Schicksals von Liz Truss wird sich Donald Trump der Macht der Anleihemärkte bewusst sein. Seine Administration wird die Entwicklung der Bondrenditen auch deshalb sehr genau im Auge behalten.

Da wir mit Blick auf die massiven geopolitischen Veränderungen im Zuge des Handelskriegs erneute Verwerfungen der globalen Anleihemärkte nicht ausschließen können, bleiben wir bei festverzinslichen Papieren im Risk-Off-Modus. Kurze Laufzeiten, ein geringes Zinsänderungs- und Ausfallrisiko und eine hohe Liquidität stehen für uns auch weiterhin im Fokus.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
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