Seit der Großen Finanzkrise konnten mit Aktien deutlich bessere Renditen erzielt werden als mit Anleihen. Dennoch stiegen auch die Kurse von Anleihen in einem ungewohnten Ausmaß. Ihre Renditen fielen im Zuge ungeahnter Leitzinssenkungen und Ankaufprogramme der Notenbanken auf ein historisch niedriges Niveau. So sank die laufende Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen zwischen den Jahren 2007 und 2020 von 5 Prozent auf nur noch 0,5 Prozent. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen stürzten im gleichen Zeitraum von über 4 Prozent auf unter -0,5 Prozent. Rund 30 Prozent der weltweit ausstehenden Staats- und Unternehmensanleihen wiesen zum Höhepunkt der Ära des „kostenlosen Geldes“ eine negative Verzinsung auf.

Die geldpolitischen Hilfsmaßnahmen als Antwort auf die Corona-Krise haben aber nicht nur zu Tiefstständen bei Anleiherenditen geführt. In Kombination mit einer pandemiebedingten Störung von Lieferketten und einer überbordenden fiskalpolitischen Stimulierung, vor allem in den USA, führte die toxische Mixtur zu enormen Inflationsschüben. Die Notenbanken begegnen dieser Entwicklung nun mit schnellen und entschlossenen Zinsanhebungen. Plötzlich weisen zehnjährige US-Staatsanleihen wieder eine laufende Verzinsung von 4 Prozent auf, zehnjährige Bundesanleihen von 2 Prozent und US-Unternehmensanleihen locken im Hochzinssegment sogar mit einer Renditeerwartung von 9 Prozent pro Jahr.

Sind Anleihen damit wieder eine echte Alternative zu Aktien? Es kommt darauf an. Insbesondere bei Unternehmensanleihen ist eine sorgfältige und wachsame Auswahl erforderlich, denn höhere laufende Verzinsungen dürfen den Blick auf die operative Leistungsfähigkeit eines Unternehmens nicht verstellen. Im Hochzinssegment sind die Ausfallraten weiterhin unterdurchschnittlich. Vieles spricht dafür, dass sie steigen werden. Kostensteigerungen, Margendruck und notwendige Anschlussfinanzierungen zu völlig veränderten Zinskonditionen fressen sich erst allmählich in die Unternehmensbilanzen. Eine Bereinigung der Unternehmenslandschaft, die geprägt ist von zahlreichen Zombie-Unternehmen, d.h. Unternehmen, die eine negative Zinsdeckungsfähigkeit, also ein Verhältnis von operativem Ergebnis zu Zinsaufwendungen von unter 1 aufweisen, hat noch nicht stattgefunden. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt bereits seit dem Jahr 2018 eindrücklich vor Unternehmen, deren Außenfinanzierungsfähigkeit in einer Rezession mit einem veränderten Zinsumfeld massiv gefährdet ist.

GANÉ ist im Anleihesegment daher weiterhin auf kurzlaufende Staatsanleihen mit geringen Zinsänderungs- und Ausfallrisiken fokussiert. Vereinzelt erwerben wir bereits wieder Unternehmensanleihen, wenn positive Events, zum Beispiel Kapitalerhöhungen, die Situation begleiten. Solche Sanierungsmaßnahmen belasten zwar die Aktionäre, stärken aber die Position der Anleihegläubiger unmittelbar. Unverändert stellen jedoch Aktien von langfristigen Gewinner-Unternehmen, die sich durch geringe Schulden, hohe freie Cashflows und Preissetzungsmacht auszeichnen, die bevorzugte Anlageklasse für uns dar.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
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