Den Kapitalmärkten steht eine ereignisreiche Woche bevor. Heute werden die US-Inflationsdaten für November veröffentlicht, bevor morgen FED-Chef Jerome Powell die letzte Zinserhöhung des Jahres 2022 in den USA bekannt geben dürfte. Am Donnerstag folgen die Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank, der Bank of England, der Schweizer Nationalbank und der Norwegischen Zentralbank. Nachdem sich die Dynamik der Preissteigerungen in den USA und in Europa zuletzt verlangsamten und die Hoffnung weckten, der Inflationshöhepunkt könnte bereits erreicht worden ein, wird nun mit Spannung beobachtet, ob die aktuellen Daten diese Einschätzung unterstützen. Viele Marktteilnehmer hegen die Hoffnung, dass die Währungshüter nach einer Phase von Rekord-Zinserhöhungen nun das Signal für eine Verlangsamung oder gar eine Kehrtwende der restriktiven Geldpolitik senden. Die positive Entwicklung der Aktienmärkte in den vergangenen Wochen spiegelt jedenfalls die Hoffnung der Investoren auf ein Überwinden des Inflations- und Zinshöhepunkts wider.

Für die tiefgehende Fundamentalanalyse der GANÉ spielt all dies keine entscheidende Rolle. Eine korrekte Prognosestellung über die exakte Anzahl, die Höhe und den Zeitpunkt von Zinserhöhungen ist weder möglich noch wichtig. Viel entscheidender ist das Bewusstsein darüber, dass die Ära des „kostenlosen Geldes“ vorüber ist. Die Unternehmen haben seit der Großen Finanzkrise von stetig fallenden Zinsen und einer nie dagewesenen Liquiditätsschwemme durch Geld- und Fiskalpolitik profitiert. Der Renditeverfall bei festverzinslichen Wertpapieren löste eine Jagd nach alternativen Renditequellen aus, so dass ein regelrechter Ansturm auf Start-Ups, Private Equity und Technologieunternehmen zu beobachten war. „Billiges Geld“ im Überfluss führte zu teils undifferenzierten Finanzierungen von fragwürdigen Geschäftsmodellen, die trotz ihres euphorisierend hohen Umsatzwachstums keinen Plan für ein Erreichen der Gewinnschwelle hatten.

Dieses „Schlaraffenland der Liquidität“ gehört nun der Vergangenheit an. Daran wird auch eine potenzielle Verlangsamung der restriktiven Geldpolitik nichts ändern. Schließlich haben die Zinserhöhungen der US-Zentralbank bereits den stärksten 12-Monats-Anstieg der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten seit 40 Jahren ausgelöst – bezogen auf die Unternehmen des Aktienindex S&P 500. Diese höheren Finanzierungskosten werden zusätzlich zu den gestiegenen Lohn- und Energiekosten die Margenentwicklung von Unternehmen unter Druck setzen. Aus diesem Grund bleibt GANÉ weiterhin, unabhängig von einem möglichen Höhepunkt der Leitzinsentwicklung, auf Unternehmen mit überdurchschnittlichen Rohertragsmargen fokussiert. Die Auswahl von herausragenden Geschäftsmodellen, die trotz steigender Kosten ihre Margenstärke unter Beweis stellen, hat für die langfristige Renditeentwicklung des Anlegers eine größere Bedeutung als das Prognostizieren von zukünftigen Zinserhöhungen.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
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