Die Aktienmärkte eilen zu immer neuen Höchstständen. Entscheidend für die Aufwärtsentwicklung ist vor allem die gigantische Liquiditätsschwemme, die von den geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen weltweit ausgelöst wurde. Nach der Finanzkrise 2008 reichte es aus, eine damals noch als unkonventionell geltende Lockerungspolitik der Zentralbanken, das sogenannte „Quantitative Easing“, zu starten, um den längsten Bullenmarkt in der Börsengeschichte loszutreten. Als dieser im letzten Jahr durch die schärfste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Corona-Krise abrupt beendet wurde, reagierten Zentralbanken und Regierungen gemeinsamen, mit noch größeren und historisch einmaligen Hilfsmaßnahmen. Riesige geldpolitische Pakete werden seither durch gewaltige fiskalpolitische Programme unterstützt. So kauft die US-Zentralbank derzeit jeden Monat für 120 Milliarden US-Dollar Anleihen. Gleichzeitig lassen Joe Bidens „American Families Plan“ (AFP) und „American Jobs Plan“ (AJP) die staatlichen Hilfsgelder seit Beginn der Covid-19-Pandemie auf über zehn Billionen USD ansteigen. In Europa wurden die teils rigiden fiskalpolitischen Sparprogramme von einem 750 Milliarden Euro Corona-Aufbaufonds abgelöst und dem Wertpapierkaufprogramm der Europäischen Zentralbank, das sich mittlerweile auf 1,85 Billionen Euro beläuft, zur Seite gestellt. Die schiere Größe dieser Zahlen, verbunden mit dauerhaften Nullzinsen, führten zu einer der schnellsten Erholungen der Aktienmärkte seit dem Crash im März 2020.

Warum ist die Ausweitung von Liquidität ein so starker Kurstreiber? Über Wertpapierkaufprogramme wird die im Umlauf befindliche Geldmenge kontinuierlich erhöht. Zentralbanken kaufen Staats- und Unternehmensanleihen gegen Liquidität, die in den Markt fließt. Wenn sich darüber hinaus die nominalen Zinsen auf einem Rekordtief befinden und über ein Viertel der globalen Anleihen eine negative Rendite aufweist, dann findet ein Teil der Liquidität automatisch den Weg in den Aktienmarkt. Steigende Kurse sind die Folge. Da bis zu 75 Prozent der europäischen Aktien im Stoxx 600 einen Dividendenrendite weit über der durchschnittlichen Rendite von Unternehmensanleihen aufweisen, wird die Anziehungskraft von Aktien zusätzlich verstärkt. Die frei verfügbare Liquidität, die sich im Umlauf befindet, die sogenannte Geldmenge M1, hat sich in den vergangenen Jahren erneut als einer der verlässlichsten Frühindikatoren für die zukünftige Aktienperformance erwiesen.

Da Zinserhöhungen in naher Zukunft nicht wahrscheinlich sind, hat vor allem die Angst vor einer Reduzierung dieser unterstützenden Liquidität die Volatilität an den Aktienmärkten ansteigen lassen. Die Voraussetzung für eine mögliche Reduzierung der Anleihekäufe, das sogenannte Tapering, sind für die US-Zentralbank „weitere substantielle Fortschritte“ auf dem Weg zur Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Der Erfolg der Impfstoffkampagne hat neben den Hilfsmaßnahmen eine Normalisierung der Volkswirtschaften eingeläutet. Im Zuge der Erholung steigt die Nachfrage nach Dienstleistungen und Konsumgütern. Deutlich höhere Reise-, Bau- und Gebrauchtwagenpreise führten zuletzt zum stärksten monatlichen Anstieg der Kerninflation in den USA seit 1981. Da Aktienmärkte in erster Linie auf Veränderungen von Wachstumsraten reagieren, wird von vielen Marktteilnehmern eine Reduzierung der monatlichen Ankäufe von Anleihen gefürchtet.

Trotzdem sollten sich Anleger kurzfristig keine allzu großen Sorgen um eine Verknappung der Geldmenge machen. US-Finanzministerin Yellen und FED-Chairman Powell haben mehrfach betont, dass der aktuelle Inflationsanstieg zu erwarten gewesen wäre und einen nur temporären Charakter aufweise. Engpässe in Lieferketten und ein überdurchschnittlicher Reisebedarf sollten sich in den kommenden Monaten wieder normalisieren, so die Auguren. Zusätzlich hat die Errichtung eines Inflationskorridors deutlich gemacht, dass der Reduzierung der Arbeitslosigkeit Priorität vor Preisstabilität eingeräumt wird. Nachdem die US-Arbeitslosenquote im April mit 6,1 Prozent deutlich weniger gefallen ist als erwartet, ist davon auszugehen, dass Tapering zwar in den kommenden Sitzungen des Zentralbankkomitees angesprochen wird, kurzfristig aber die Zügel nicht angezogen werden. Die Erfahrung aus dem Jahr 2013, als der damalige FED-Chairman Ben Bernanke mit einer überraschend angekündigten Reduzierung der Anleihekäufe ein „Taper Tantrum“ auslöste und Anleger schockierte, hat der FED die Notwendigkeit einer feinfühligen Kommunikation vor Augen geführt. Eine Reduzierung der Bilanz dürfte also behutsam und mit ausreichend zeitlichem Vorlauf angekündigt werden. Die geldpolitische Programme werden irgendwann ganz bestimmt wieder zurückgefahren werden, was neue Höchststände für die Breite der Aktienmärkte weniger wahrscheinlicher macht. Die relative Attraktivität von Unternehmen mit wachsenden Cashflows und Dividenden bleibt aber auch in einem Umfeld mit verknappter Geldmenge bestehen. Gerade im Vergleich zu Anleihen. Deshalb ist GANÉ in Gewinnerunternehmen und Dividendenaristokraten erster Güte, wie zum Beispiel die Allianz und Munich RE, investiert.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
Drucken:
Schließen