Der oberste Währungshüter Jerome Powell und die US-Zentralbank stehen vor einer großen Herausforderung, die teilweise auf eigene Fehleinschätzungen im vergangenen Jahr zurückzuführen ist. Zu lange waren die Währungshüter davon ausgegangen, dass der rapide Anstieg der Inflation in den USA einen nur temporären Charakter habe. Tatsächlich weist die Teuerung mittlerweile aber permanente Züge auf. Was folgte, war eine dramatische geldpolitische Kehrtwende zur Eindämmung der Preissteigerung. Diese Kehrtwende wird in den kommenden Monaten nicht nur die einschneidendste Normalisierung der Geldpolitik in der US-Geschichte bestimmen, sondern zugleich ein Dilemma offenbaren: Die überhitzte US-Volkswirtschaft muss eingebremst werden, ohne eine Rezession auszulösen.

Bereits vor dem Krieg in der Ukraine stieg die US-Teuerungsrate auf ein 40-Jahreshoch. Dafür verantwortlich waren vor allem eine nie dagewesene Liquiditätsschwemme aus Geld- und Fiskalpolitik, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie abzufedern, sowie Lieferketten-Störungen aufgrund von weltweiten Lockdown-Maßnahmen. Sie trafen auf eine aufgestaute Konsumentennachfrage und ein Ende der persönlichen Einschränkungen, um die Pandemie endlich zu überwinden. Dies führte aber nicht nur zu einem umfassenden Anstieg der Preise, sondern auch zu einer beeindruckenden Erholung des Arbeitsmarktes. Während die US-Arbeitslosenquote mit 3,6 Prozent wieder auf das Vorkrisenniveau zurückgegangen ist, bleibt die Suche nach Arbeitskräften für Unternehmen sehr herausfordernd. Laut Goldman Sachs stehen in den USA deutlich mehr offene Stellen als Arbeitnehmer zur Verfügung. Die große Kluft zwischen der Fülle an verfügbaren Jobs und der vergleichsweisen geringen Zahl an Arbeitswilligen machen den Arbeitsmarkt zum „engsten“ der US-Nachkriegsgeschichte. Überdurchschnittliche Lohnsteigerungen sind die Folge.

Der Krieg in der Ukraine heizt die Preisentwicklung von Rohstoff- und Nahrungsmittelpreisen zusätzlich an. Gleichzeitig führt die „Null-Covid-Strategie“ Chinas zu neuen Unterbrechungen der globalen Lieferketten. Viel Investoren fragen sich deswegen: Kann den US-Währungshütern ein so genanntes „Soft Landing“ überhaupt gelingen? Also ein Abschwächen der Wachstumsrate, ohne signifikante Gewinneinbrüche, ohne Entlassungen? Das Ende der Anleihekäufe, die Erhöhung von Zinsen und die aktive Reduzierung der Bilanzsumme müssen das starke Wirtschaftswachstum also so behutsam einbremsen, dass die gefährliche Lohn-Preis-Spirale gebrochen und der überhitzte Arbeitsmarkt in ein gesundes Gleichgewicht aus Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage zurückgeführt wird. Ob dieser Spagat gelingt, ist ungewiss. Er dürfte jedenfalls dazu führen, dass es für Kapitalallokatoren noch anspruchsvoller wird, an die erzielten Renditen der letzten Jahre anzuknüpfen. Daher ist die Auswahl von Gewinnerunternehmen für GANÉ von elementarer Bedeutung. Denn: Attraktive Wachstumsraten können auch in einem anspruchsvollen Umfeld realisiert werden. Dies hat Microsoft am Dienstag unter Beweis gestellt. Der wichtige Wachstumsbringer, Azure, wächst mit zweistelligen Raten rasant. Microsofts zentrale Plattform des Cloud-Computings dürfte auch in Zukunft ein bedeutender Inputfaktor sein, damit Unternehmen und Staaten einen ökonomischen Output generieren können. Daran sollte auch das Dilemma von FED-Chef Jerome Powell nichts ändern.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
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