Jerome Powell hat im Zuge seiner Rede in Jackson Hole deutlich gemacht, dass es für die US-Zentralbank angebracht sein könnte, die aktuellen monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 120 Milliarden US-Dollar noch in diesem Jahr zu reduzieren. Die von der FED angestrebten „substantiellen weiteren Fortschritte“ seien bei der Inflationsentwicklung erreicht worden und der Arbeitsmarkt habe ebenfalls eindeutige Fortschritte auf dem Weg zur „maximalen Beschäftigung“ gemacht. Sollte sich die Volkswirtschaft wie von den Zentralbänkern erwartet weiter positiv entwickeln, könnte die in ihrem Ausmaß einmalige Ausweitung der Geldmenge in den USA ihr Ende finden. Auch wenn Leitzinserhöhungen für Powell noch lange nicht abzusehen sind und der Kapitalmarkt auf das anstehende „Tapering“ kommunikativ deutlich besser als in früheren Zyklen vorbereitet wird, so würde der Startschuss für eine restriktivere Geldpolitik einen der entscheidenden Kerntreiber für die derzeitige Aktienhausse abschwächen.

Parallel zu dieser anstehenden Normalisierung der Geldpolitik werden die Kapitalmärkte in den kommenden Monaten wohl auch eine Abschwächung des zweiten Kerntreibers der historischen Aktienerholung verarbeiten müssen: Die Reduzierung der fiskalpolitischen Unterstützung. Während nach der Finanzkrise der damaligen geldpolitischen Lockerung noch teils rigide Sparmaßnahmen, zum Beispiel die „Schwarze 0“ in Deutschland und der eiserne Sparkurs in Südeuropa, gegenübergestellt wurden, erkannte die Politik in der Corona-Krise, dass fiskalische Hilfe notwendig ist und schnell umgesetzt werden muss. Daher wurden die gigantischen geldpolitischen Pakete erstmals seit Jahrzehnten durch aggressive staatliche Ausgabenprogramme unterstützt. Neben der Gewährung von Kurzarbeitergeld, Steuererleichterungen und Überbrückungshilfen legte man in Europa unter anderem einen Corona-Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro auf. In den USA ließen der „American Families Plan“ (AFP) und „American Jobs Plan“ (AJP) die staatlichen Hilfsgelder seit Beginn der Covid-19-Pandemie auf über zehn Billionen US-Dollar ansteigen. Dank der erfolgreichen Impfkampagne und der damit einhergehenden volkswirtschaftlichen Erholung werden aber genau diese unterstützenden fiskalpolitischen Maßnahmen jetzt kontinuierlich reduziert. Bereits 26 US-Bundesstaaten haben die zusätzliche wöchentliche Arbeitslosenunterstützung von 300 US-Dollar noch vor dem offiziellen Ende des bundesweiten Programms im September gestrichen. Davon sind Millionen Begünstigte betroffen. Zudem hat der oberste Gerichtshof in den USA die Verordnung des staatlichen Gesundheitsamtes zum Schutz der Mieter vor Zwangsräumung aufgehoben. Dadurch droht einem Teil der rund acht Millionen Arbeitslosen die Obdachlosigkeit, sollten die vom Kongress bewilligten Mietbeihilfen nicht schnell genug ausgezahlt werden. In Deutschland werden die Corona-Überbrückungshilfen für Unternehmen über den September hinaus verlängert. Seit Mai 2021 müssen Unternehmen, die nicht unmittelbar wegen der Corona-Krise in existenzielle Schieflage geraten sind, allerdings wieder ihrer Insolvenzantragspflicht nachkommen. Darüber hinaus laufen gewisse pandemiebedingte Sondervorteile zum Ende des Jahres aus.

Halten wir fest: Die historisch einmalige Liquiditätsschwemme durch Geld- und Fiskalpolitik wird in den kommenden Monaten reduziert. Die Auswirkungen sind schon deshalb ungewiss, weil Volkswirtschaften und Kapitalmärkte eine solch einschneidende „Normalisierung“ noch nie erlebt haben. Die Hoffnungen von Politik und Zentralbanken ruhen auf der Stärke der aktuellen wirtschaftlichen Erholung. Eine anhaltende Wachstumsdynamik wird prognostiziert. Doch mit Blick auf die Ausbreitung der Delta-Variante und immer neuen Virus-Mutationen steht der globalen Volkswirtschaft möglicherweise ein steiniger Weg bevor, bis man tatsächlich wieder „Normalisierung“ ausrufen kann. GANÉ ist sich den Herausforderungen bewusst. Wir setzen daher auf langfristige Gewinnerunternehmen, unterstützt von starken Konsumtrends, soliden Bilanzen und üppigen Cash-Flows. Unsere Liquiditätsquote beträgt 22 Prozent, so dass wir uns für verschiedene Börsenszenarien gut gewappnet sehen.

Autor:
Marcus Huettinger Kapitalmarktstratege
Drucken:
Schließen